„Empowerment heißt, dass wir auch Decision-Maker empowern müssen“

Holger Seim, Co-Founder und CEO von Blinkist, spricht in unserem sechsten Interview zu New Work & Leadership über Fehlerfreundlichkeit, darüber wie Autonomie und Konsens Entscheidungsprozesse lähmen können und warum es manchmal direktive Führung braucht.

Holger Seim hat Blinkist 2012 mitgegründet. Die App fasst Kernaussagen von Wissensformaten zum Anhören und Lesen in rund 15 Minuten zusammen. Damit bekommen die Nutzer*innen einen Überblick über das Buch oder den Podcast und können dann entscheiden, ob sie es ganz lesen oder anhören. Das Berliner Unternehmen hat 20 Millionen Nutzer*innen und 160 Mitarbeitende.

Name: Holger Seim

Unternehmen: Blinkist

Funktion: Co-Founder & CEO

Da seit: 2012


Für das vollständige schriftliche Interview bitte nach unten scrollen:

New Work & New Leadership | Folge 6 | Interview mit Holger Seim, Founder und CEO von Blinkist.


Hallo Holger. Ich freu mich sehr, heute mit dir zu sprechen, auch weil ich so ein Bücherwurm bin. Ich habe gestern mal durchgezählt und habe gerade elf Sachbücher, die ich lesen möchte. 
Erzähl doch mal: Was ist Blinkist? Und wer bist du?
Blinkist ist eine App, die dir hilft, Wissensformate in kurzer Zeit zu verstehen. Wie du es gerade gesagt hast: Jeder von uns hat gerade zehn Bücher, die er lesen möchte. Und häufig fehlt uns die Zeit. Da kommt Blinkist ins Spiel - wir nehmen uns aktuelle Sachbücher und Podcasts, ziehen die Kernaussagen raus und machen daraus einen 15 oder 20 Minuten langen Text oder ein Audio, um Leuten zu helfen, einen Überblick über das Thema zu bekommen.
Wer bin ich? Ich bin ein Junge vom Dorf, habe BWL studiert, war auch in China und den USA während meines Studiums und habe im Studium zum ersten Mal was gegründet, gemeinsam mit Kommilitonen. Da haben wir für uns entdeckt, dass uns Gründen liegt und haben dann systematisch überlegt: Was gibt es für Probleme, die wir lösen können? Und um die herum wir ein größeres Unternehmen bauen könnten? In meinem ersten Jahr nach der Uni im Job kam dann die Idee zu Blinkist auf. Smartphones sind damals durch die Decke gegangen. Gleichzeitig hatten wir den Insight von uns selbst, dass wir gerne mehr lesen würden und im Job noch weniger Zeit haben. Und da dachten wir, was wenn wir Wissen auf das Smartphone bringen, wo sich die Nutzungsgewohnheiten sowieso gerade hinbewegen?

Eure Führungskultur bei Blinkist, wie beschreibst du die?
Wir haben sehr viel ausprobiert. Im Kern unserer Führungskultur steht inzwischen Situational Leadership. Unser Anspruch ist es, Mitarbeitende zu empowern. Also zu sagen, da wollen wir hin, das sind die Ziele, das sind die Erwartungen und jetzt rennt los.
Wir hatten 2015 auch mit Holacracy experimentiert. Da ist auch dezentrale Organisation und Empowerment sehr stark im Fokus. Dann haben wir aber gemerkt, dass nur Empowerment nicht funktioniert. Dass sich da viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter allein gelassen fühlen, und sie permanent überfordert sind. So haben wir auch gemerkt, dass Holacracy, zumindest so wie wir es eingeführt haben, die Führungskräfte eher beim Führen blockiert. Wenn zum Beispiel Führungskräfte gesehen haben, da braucht jemand eigentlich Unterstützung sich aber auf Grund ihrer Holacracy-Interpretation, "Jeder macht was er will“, nicht getraut haben, zu intervenieren.
Dann haben wir irgendwann das Konzept von Situational Leadership für uns entdeckt. Wo es basierend auf Capabilities und Motivation, verschiedene Ansätze gibt, wie man führt, situationsabhängig. Man kann in einer Situation erfahren und motiviert sein und da ist Empowerment die richtige Strategie. Es gibt aber auch Situationen, wo eine neue Herausforderung vor einem ist und wo man mehr Support, mehr Direction braucht.

Das ist ein Punkt, der uns auch immer wieder begegnet. Dass Führen und Folgen in flacheren Hierarchien bedeutet, situativ genau zu wissen, was kann ich und was nicht und mir das dann zu holen beziehungsweise es zu geben. Das braucht viel Bewusstheit. Auf welche Schwierigkeiten stößt du zum Beispiel, wenn du führst? Was sind da deine Schatten?
Bei uns in der Organisation gibt es immer noch diesen starken Autonomiewunsch. Jeder denkt erst mal - und das fängt bei mir an: "Lass mich mal machen, ich schaff das." Wir sehen häufig, dass Leute überfordert und gestresst sind, zu viel arbeiten und keinen Impact haben. Also Stress auf der einen Seite und keinen Impact auf der anderen. Dennoch haben Leute dann immer noch den Impuls zu sagen: "I will figure it out", anstatt "Ich weiß gerade nicht weiter, ich bin überfordert, hilf mir mal, liebe Führungskraft oder lieber Peer." Hilfe holen wird als Niederlage empfunden.
Ich mag es immer, wenn jemand schnelle Entscheidungen trifft, das finde ich gut. Das kann zwar auch schiefgehen, aber dann lernen wir schnell. Aber häufig ist es so, dass Mitarbeiter sagen, "Lass mich mal machen" aber dann eben keine Entscheidungen treffen. Niemand will anderen auf die Füße treten. Jeder hat seine Domains und jede Entscheidung betrifft auch andere. Da ist der Wunsch nach viel Alignment, nach viel Konsens, damit die Autonomie aller gewahrt bleibt. Da versuchen wir gerade stark gegenzusteuern. Das heißt klarer zu machen, wer ist hier der Decision-Maker.
Empowerment heißt, dass wir auch Decision-Maker empowern müssen. Das heißt wenn du die Decision-Makerin bei einem Thema bist, muss ich dich als Folgender empowern, schnelle Entscheidungen zu treffen und akzeptieren, wenn du Entscheidungen triffst, die ich nicht so getroffen hätte und dir dann trotzdem folgen.
Für Führungskräfte genauso: Ich muss bereit sein zu sagen: „Hier stößt Empowerment an seine Grenzen, ich bin jetzt direktiver. In dem Moment brauchen wir eine schnelle Entscheidung, das funktioniert gerade so nicht und ich sehe auch nicht, dass es dahin führt.“ Gleichzeitig ist es wichtig, direktives Führen nur sehr dosiert einzusetzen und transparent zu machen, warum ich das tue. So was ist in unserer Kultur erst mal ein Schock: "Oh, wow, das ist jetzt direktiv! Das ist ja fast Micromanagement! Da sagt mir jetzt jemand, was ich tun soll!“ Weil wir alle sehr nett zueinander sind und uns gegenseitig empowern wollen. 
Mir fällt gerade kein besserer Weg ein das zu durchbrechen, als situativ zu sagen: „Ich als Führungskraft / Rolle treffe jetzt die Entscheidung und bin sehr klar was gemacht wird und by whom und when."
Das Versprechen von Holacracy und Empowerment und dezentralen Entscheidungen ist ja eigentlich: Es geht schneller, weil die Leute, die nah am Problem sind, die besten Entscheidungen am schnellsten treffen können. Weil sie sich nicht erst durch eine Hierarchieschleife rückversichern müssen und nicht in Gremien müssen. Das funktioniert bei uns nicht. Das geht nicht schneller dadurch.

Ja, das funktioniert oft nicht. Viele finden New Work und agiles Arbeiten toll, aber das bedeutet eben auch, dass ich innerlich ausgerichtet sein muss. Führung bedeutet auch, aus dem Schatten raus zu treten und mich sichtbar zu machen, in eine Kraft, die sagt, "So will ich das nicht. Ich brauche das anders und zwar so."
Da geht es um Konfliktbereitschaft. Ich weiß nicht, ob das nur bei uns so ist oder auch bei anderen Unternehmen, die so sehr auf New Work gehen: Alle Leute mögen sich und es ist so eine Kuschelkultur und es gibt einfach keine Courageous Conversations. Es gibt eine Art von künstlicher Harmonie anstatt dass es konstruktiven Konflikt gibt .
Die Bereitschaft zu konstruktivem Konflikt muss es geben. Wenn ich von einer Entscheidung überzeugt bin, muss ich bereit sein, diese Entscheidung zu treffen, auch gegen Widerstände und aushalten, dass da ein Pushback kommt, dass Leute sagen: "Du hast mich aber nicht gefragt." Oder "Ich hätte es aber anders gemacht.“

Konstruktive Konfliktbereitschaft ist noch nirgends stark ausgeprägt, habe ich den Eindruck. Da ist diese Beißhemmung. Wirklich Kritik zu äußern, da haben wir alle Angst davor, das verbinden wir dann mit autoritär und gewaltvoll. Das wollen wir nicht und dann gehen wir in den anderen Quadranten rüber und kuscheln. Als müsste man diese Balance noch finden. Wie tragt ihr Konflikte aus?
Wir schulen uns alle in Gewaltfreier Kommunikation, um ein paar Tools an der Hand zu haben. Allerdings: Wenn das Vertrauen groß ist, braucht es nicht unbedingt Gewaltfreie Kommunikation, dann kann man einfach sagen, was nicht passt, und das jeder so ein bisschen in seinem Stil. Ich merke, wenn ich bei Leuten sehr darauf achten muss, wie ich etwas (möglichst gewaltfrei) sage, ist die Trust-Batterie nicht voll genug.
Deshalb versuchen wir, erstmal Vertrauen herzustellen, schauen genau darauf, dass keine dysfunktionalen Team-Dynamiken bestehen, und wiederholen immer wieder: Feedback ist wichtig, sowohl positiv als auch negativ. Wir encouragen Leute in ihren One-on-Ones einen Reminder alle vier Wochen für Bilateral Feedback einzustellen, und in längeren Abständen auch 360s. Das heißt einmal im Jahr hat jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter ein 360, das machen wir über Leapsome, wo alle Peers Feedback geben können. Und wenn das nicht funktioniert, kommt als höchste Eskalationsstufe dann Mediation. Wenn das Vertrauen niedrig ist und ein Riesenkonflikt besteht, dann legen wir den Leuten sehr ans Herz, zum Mediator zu gehen und stellen dann dafür auch Budget bereit.

Wie ist das denn bei dir - du hast ja auch noch mal eine ganz spezielle Situation, weil du Gründer bist. Wie ist das, wenn du mit der Arbeit eines Mitarbeitenden nicht zufrieden bist und du merkst, du verlierst deine Gelassenheit. Was passiert dann erst mal?
Der alte Holger ist eher ein People-Pleaser, das heißt ich möchte gemocht werden. Dass bei uns eine gewisse konstruktive Konfliktbereitschaft fehlt, hängt ja auch immer mit am Gründer. Der Fisch stinkt vom Kopf. Früher habe ich so was in mich reingefressen oder wir haben uns unter uns Gründern beschwert. Das war eher dysfunktional.
Mittlerweile - und das ist ein Prozess, der erst so richtig im letzten Jahr in Gang kam - sage ich das dann direkt, sowohl der Führungskraft, die mit mir in meinem Leadership-Team arbeitet als auch den Leuten direkt. Ich frage also erst mal: "Warum hast du das so gemacht?" Um dann die Fragen zu stellen, die ich dazu habe und zu sagen, was mir daran nicht passt. Ich versuche das immer so zu framen, dass es nicht als „Founder-Bomb“ rüberkommt. Mir ist wichtig, dass das Feedback gehört wird und mir ist wichtig, dass ich am Ende eine gute Antwort bekomme. Die Antwort kann sein "Ich habe es gehört und ich bin trotzdem davon überzeugt, dass wir es so und so machen." Wenn es ein größeres Thema ist, will ich immer ein persönliches Gespräch, aber wenn es ein kleineres Thema ist, ist es auch mit einem kurzem Slack-Chat getan.

Wie ist es denn mit Feedback oder Kritik hören für dich? Also angenommen, ich wäre bei euch angestellt und ich merke, du triffst gerade aus meiner Sicht eine Fehlentscheidung oder machst etwas nicht gut. Kann ich dann damit zu dir kommen und dir das sagen?
Ja, das kannst du. Das machen natürlich die wenigsten. Ich versuche, diese Hürden immer wieder abzubauen. Mit allen neuen Mitarbeitern mache ich immer einen Welcome-Chat, damit sie mich persönlich kennen. Ich sage, dass ich approachable bin und „Reach out to me on Slack. Stell mir einen Coffee-Chat ein“. Dennoch machen die wenigsten das. Alte Mitarbeitende, die mich lange kennen, manchmal. Neue Mitarbeitende sehr selten.
Deshalb schaffen wir dafür Prozesse die das erleichern. Wir haben ein Mal im Monat ein All-Hand-Session, wo wir vom Leadership-Team Sachen präsentieren und danach eine Ask-me-Anything-Session. Da kann dann jeder Fragen stellen.
Außerdem gibt es jedes Quartal eine Mitarbeiter-Engagement-Survey, da nutzen wir Culture Amp dafür, um unser Mitarbeiter-Engagement zu messen. Auf die Ergebnisse beziehe ich mich dann auch in anderen Präsentationen. Leute merken, wenn sie eine Weile bei Blinkist waren, dass sie gehört werden durch diese Kanäle.
Es gab auch Zeiten, da wurde es so eine Beschwerdekultur. Mittlerweile habe ich mir angewöhnt zu sagen, wenn mir Dinge zu oft auf den Tisch kommen und so Klarheit zu schaffen. Manchmal auch dann einfach mit Nein. Punkt.
Konsens bedeutet meistens keine guten Entscheidungen. Wir brauchen schnelle, klare Entscheidungen, die einmal integrativ alle Perspektiven abholen und dann gemeinsam loslegen im Sinne von agree and commit oder wenn nicht, dann eben auch disagree and commit. Sonst drehen wir uns nur um uns selbst und kommen nicht voran.
Das wird oft missverstanden: Ein Unternehmen das zuhört, bedeutet nicht, dass das Unternehmen dann alles macht, was die Leute wollen und es so eine Konsenskultur wird. Das heißt nur, wir hören zu, wir nehmen alle Perspektiven ernst. Trotzdem müssen wir klare Entscheidungen treffen, die bei 160 Leuten nicht jedem passen können.

Welchen Herausforderungen begegnest du noch beim Führen und wie reagierst du auf sie, mit deinem persönlichen Führungsstil? Du bist ja jetzt schon zehn Jahre dabei und hast sicherlich auch eine richtig Reise diesbezüglich hinter dir.
Erwartungen nicht klar formulieren ist ein Thema. Das ich mir denke, warum machen die das nicht? Und dann schaue ich in den Spiegel und sehe, dass ich die Erwartungen nicht klar formuliert habe. Ich hab immer noch so eine Vorstellung (lacht): Wir sitzen alle an einem Tisch, sind automatisch aligned, weil wir viel miteinander sprechen und gehen dann automatisch so in die gleiche Richtung. Ohne den Need, dass wir einen Prozess haben.
Das geht in einer größeren Organisation nicht mehr. Da musste ich einfach ein bisschen aus meiner Präferenz gehen und sagen, ich muss jetzt auch diese formellen Dinge machen, auf die ich nicht so Bock habe und einfach mal meine Erwartungen klar formulieren.
Und ein weiteres Problem, dem ich begegne, ist dieses Thema People-Pleasing. Das hat zwei Aspekte. Zum einen regelmäßig klares Feedback geben, auch wenn ich statt diesem People-Management lieber zum Beispiel über die nächste Marketing-Kampagne oder das nächste Feature nachdenken möchte. Zum anderen ist klares Feedback geben für mich nicht angenehm.
Und dann auch Entscheidungen treffen, wenn ich eigentlich erstmal klar bin, aber dann merke, dass auf einmal acht verschiedene Meinungen kommen und mich das verunsichert. Dann fange ich an, an mir zu zweifeln und habe Angst, dass das doch nicht die richtige Entscheidung ist. Wenn ich lange an Entscheidungen zweifele, werden sie nicht getroffen. Was ich jetzt mittlerweile mache, ist zu reflektieren, ob eine Entscheidung kriegsentscheidend ist. Sind die Sachen, die ich sehe, die man vielleicht verbessern kann, sind die wirklich wichtig? Oder kann man es so oder so machen und wir wissen es beide nicht? Und ich versuche öfter, genau das zu sagen: Wir machen es genau so. Lass es uns einfach schnell machen, um schnell zu lernen.

Entscheidungen-Treffen und mit einer starken Meinung sichtbar sein, ist wichtig für eine fehlerfreundliche Kultur. Und beides ist für viele Menschen schwierig. Vielleicht weil sie eher introvertiert sind. Vielleicht weil sie die Erfahrung gemacht haben, wenn sie sich zeigen und nicht „Recht“ haben, dann werden sie nicht mehr geliebt oder sogar verachtet. Woran liegt das deiner Meinung nach?
Ich weiß nicht, was der Kern ist, sonst hätte ich es schon längst geändert. Aber es gibt die Angst zu scheitern. Wir sehen gerade, dass Entscheidungen immer wieder herausgezögert werden, um sie noch besser zu validieren vorher. Dass da noch viel Arbeit reingeht, so Cover-your-ass fast schon. Hier noch mal eine Schleife drehen, da noch mal.

Geht es da um Sicherheit?
Sicherheit, ja. Ich weiß nicht, woher es kommt. Wir haben keine Hire-and-Fire-Kultur, dass wir Leute feuern, wenn sie einen Fehler machen. Eher im Gegenteil, wir haben diese künstliche Harmonie. Das heißt, es ist nicht so, dass dir der Kopf rasiert wird vor der versammelten Mannschaft, wenn du Entscheidungen getroffen hast, die dann kein Erfolg waren. Ganz im Gegenteil. Wir Gründer haben größere strategische Entscheidungen getroffen, die mutig waren, die groß waren, die gescheitert sind. Die sehr viel Ressourcen gebunden haben, am Ende.
Hörbücher zum Beispiel. Das ist wahrscheinlich so ein Organisationstrauma, da gab es am Anfang schon ganz viel Kritik an der Entscheidung. Dann hörte man danach "Ich habe es euch doch gesagt" anstatt "Das war eine mutige Entscheidung!" Und wir brauchen zehn davon! Denn wenn eine oder zwei von zehn funktionieren dann sind wir gut. Disney macht auch zehn Filme um einen "König der Löwen" zu finden. Diese Fehlerfreundlichkeit müssen wir noch besser in unserer Kultur verankern. In dem Mindset von uns allen.

In dieses neue Paradigma zu gehen, also mehr Partnerschaftlichkeit und mehr Selbstverantwortung einzuladen, da müssen wir alle noch durch einen Prozess. Ich weiß gar nicht, ob wir das in einer Generation tatsächlich schaffen. Unsere Urenkel werden sich wahrscheinlich totlachen, wie wir da immer rumgeeiert haben, wie wir uns gegenseitig abgewertet haben, weil wir Fehler machen.
Ich bin Gründer geworden, weil ich das ja schon habe. Oft haben Gründer-persönlichkeiten ja diese Fehlerfreundlichkeit. Weil sonst wären wir ja nie so dumm gewesen, ein Unternehmen zu gründen. Und das ist meine Stärke, die ich einbringen muss, dass ich eine gewisse Fehlerfreundlichkeit mitbringe. Ich muss das auch gegen Widerstände einbringen. Das gefällt dann nicht jedem und dann sagen halt mal Leute „Ich hab’s ja gesagt“ und da trotzdem durchgehen und erklären, warum wir das brauchen. Und das es ok ist, wenn was schiefgeht. Weil wir am Ende nur den einen Hit brauchen im Jahr, der uns trägt.


Ja, und das hat auch mit Mindset zu tun. Sehe ich eine Entscheidung, die (noch) nicht funktioniert als Fehler, oder als Information, dass ich etwas anders machen oder probieren muss? Das ist Einstellungssache und das kann ich als Kultur pushen. Mit Trainings oder wie ich es selbst vormache. 
Wenn du dir die Entwicklungen rund um New Work und agiles Arbeiten anschaust – wo siehst du da die aktuellen Herausforderungen? Was sind kritische Punkte? Welche Tipps würdest du einem Unternehmen geben, das der Selbstverantwortung mehr Raum geben will?
Also eine Herausforderung ist das, was als Generation-Z-Phänomen besprochen wird. Es betrifft die Generation, die ab Mitte der 80er geboren ist. Ich bin da selbst gerade so an der Grenze. Sie sind es gewohnt, dass alles klappt, sie bekommen viel Anerkennung, selbst für den letzten Platz. Es geht ganz viel um Anerkennung und das Gefühl, man kann eigentlich gar nicht scheitern, alles ist gut. Diese Generation kann nicht gut mit Zurückweisungen umgehen, ist ungeduldig und will die schnelle Gratification haben. Sie haben nicht gelernt, dass es manchmal auch dauert bis etwas gut wird oder klappt.
Diese Generation ist sehr stark auf ihren Purpose ausgerichtet. Sie wollen sich selbst verwirklichen. Wenn ich in einer Organisation 150 Leute habe, die sich alle selbst verwirklichen wollen, dann verwirklicht am Ende niemand mehr die Organisation.
Und da zu schauen, wie kann man das alignen, dass jeder in dem Purpose des Business genügend Purpose für sich selbst findet. Ein Stück weit muss ich meinen Purpose außerhalb des Unternehmens finden. Es geht nicht alles hier. Das finde ich eine Herausforderung.
Und auch worüber wir gesprochen haben, diese Harmonie. Man muss nicht alles feiern. Wenn wir unsere Ziele nicht erreichen, das ist nicht cool, dann gibt es dafür keine Medaille just because we tried. Das ist erstmal schlecht. Wir sind hier, um das Unternehmen voran zu bringen, um ein besseres Produkt für unsere Kunden zu bauen und das brechen wir in Ziele runter und die müssen wir erreichen.
Accountability hoch zu halten, dass Leute sich accountable fühlen, Ownership haben und dafür pushen, das ist eine Herausforderung. Ich weiß nicht, wie stark das mit New Work zusammen hängt, aber das sind Themen die, glaube ich, in der alten Welt einfach schon besser gelöst sind und wo sich das im New-Work-Umfeld noch finden muss.

Was wäre da dein Approach, deine Idee? Wie kann das gehen, Ownership?
Ich glaube es ist am Ende ein Mindset-Thema und das muss man vorleben, immer wieder kommunizieren. Das Unternehmen kann nicht für sich selbst sprechen. Ich bin der Gründer und der CEO, ich muss für das Unternehmen sprechen und auch die Interessen des Unternehmens vertreten, die eben manchmal nicht die Interessen der Mitarbeiter sind und sagen, das ist jetzt wichtig. Am Ende sind wir hier zusammen gekommen, um für ein For-Profit-Unternehmen zu arbeiten, das bezahlt unsere Gehälter. Da muss man kompromissloser sein. Am Ende sind wir hier, um das Unternehmen erfolgreich zu machen. Auch darin müssen wir unseren Purpose finden.

Holger, vielen Dank für das Gespräch.


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